Bülent Kacan

Schweigen und Lauschen

Zeichnung Bülent Kacan 2021

Der inneren Stimme lauschen

Die Sprache, die wir verwenden, sobald wir inwendig mit uns selbst reden, ist eine gänzlich andere, wie jene, die wir benutzen, sobald wir mit einem anderen Menschen ins Gespräch kommen. Sobald wir ein inwendiges Selbstgespräch führen, schlagen wir einen grundsätzlich anderen, intimeren, innigeren Ton an. Doch nicht nur der Klang der äußeren Sprache ist nicht annähernd so einfühlsam und wohl bekannt, wie der Klang unsere eigenen inneren Stimme, auch die Wortwahl der inneren Stimme ist eine gänzlich andere als die der äußeren. So verstanden, kann es so etwas wie eine halbwegs befriedigende Verständigung nur zwischen Mir Selbst und Mich geben, zwischen Dir und Mir, geschweige denn zwischen Dir Selbst und Mir Selbst herrscht die unüberwindbare Kluft einer kommunikativen Unnahbarkeit, jeder Ruf über diese Kluft hinweg endet auf kurz oder lang mit einem Missverständnis; und die Missverständnisse werden größer, je intensiver wir uns unserer inneren Stimme, die zu uns spricht, verweigern. Im Übrigen ist das Schweigen der Weisen ihren permanenten Selbstgesprächen geschuldet; die Weisen hören auf ihre eigene innere Stimme, ohne das Stimmengewirr der Welt zu überhören. Das Gewicht der wenigen Worte, die sie mit Dir und Mir wechseln, hat ihre Ursache in einem beständigen inneren Lauschen, das Uns, die wir leicht dem Gerede verfallen, selbst schwer, unerträglich schwer erscheint. Die Grammatiken der Weisen entstammen zumeist ihren verständigen Herzen. Die Grammatiken der Wissenschaften entstammen einer mitunter unbarmherzigen Vernunft.

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