Meditationen
Bilder und Sprache. - Die Sprache der Bilder verfügt über unterschiedliche Ausdrucksweisen. Handelt es sich um gegenständliche Malerei, so spricht das Bild, sofern es uns anspricht, deutlicher zu uns, nie aber eindeutig, während es im abstrakten Fall eindeutig undeutlich zu uns spricht, es erscheint hierdurch nicht rätselhafter als das konkrete, es bleibt uns bloß oft ein Rätsel, wodurch wir aufgefordert sind, die richtigen Worte zu finden, sowohl für uns als auch untereinander, eher noch untereinander kommen wir darüber ins Gespräch, finden wir die richtigen Worte, indem wir begreifen, dass es unfassbar schön ist, doch damit haben wir schon zu viel des Guten gesagt, also sollten wir es für uns behalten. Betrachter eines ausgesprochen schönen Bildes, die nicht viel Worte zu verlieren haben, verlieren nicht unnötig viele Worte, weil sie sehen, staunen und schweigen; sie behalten es für sich - die Stille ist ihr treuer Wegbegleiter.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Aufhebung der Dialektik. - Im Fall einer Antithese, die nicht auf Krawall gebürstet ist, sondern auf Kompromisse aus ist, handelt es sich um eine halbe Synthese, die anschlussfähig ist (der Handschlag erfolgt in aller Regel vor der Umarmung, die Umarmung vor dem Kuss, der Kuss vor dem…wenn eine These und eine Antithese ins Bett gehen, kommt in aller Regel eine Synthese dabei heraus). Nicht selten bieten die Extreme, die dazu führen, dass sich zwei Gegensätze unversöhnlich gegenüberstehen, Ansatzpunkte für eine Annäherung, Akzeptanz und Aussöhnung des Ganzen. Man darf den Frieden in extremen Zeiten nicht ausschließlich von der Mitte aus denken, man muss ihn vielmehr von ihren extremen Enden her herbeiführen. Nicht selten sind diese Extreme in einer Mitte verankert, die bereit ist, im Ernstfall, den sie selbst herbeiführt, bis zum Äußersten zu gehen. Die Extreme einer Gesellschaft auf ihre Mitte zurückführen hieße, die Mitte zu stärken, hieße, ihrer Zentriertheit Gewicht, Dichte, Gehalt verleihen – nichts anderes bedeutet der Zusammenhalt einer Gesellschaft.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Windungen und Wandlungen. - Es ist, da du, was deinen Wunsch nach dem wahren Gehalt einer Aussage betrifft, in diesem Fall von dir höchstpersönlich ausgehst, naheliegend, über dich selbst wahre Aussagen zu treffen und selbst in diesem Fall, der intimer nicht sein kann, schließlich handelt es sich um niemand Geringeres als um dich selbst, um deine eigene Person, kannst du nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob die Aussagen, die du über dich selbst triffst und die du, wie könnte es auch anders sein, selbstverständlich für wahr hältst – niemand außer dir ist näher dran am Geschehen! - nicht ein Trugschluss sind, nicht einer Illusion unterliegen, nicht völlig unzutreffend sind (im Sinne von: Es ist nicht triftig, d.h., nicht deine Aussagen sind es, die es nicht treffend beschreiben, es selbst ist unzutreffend und somit unbeschreiblich). Das Selbst wehrt und windet sich, je näher du ihm kommst und wenn du der Auffassung bist, jetzt bist du ihm auf die Schliche gekommen, jetzt bist du auf Tuchfühlung mit ihm, jetzt hast du es erfasst, entschlüpft es dir wie ein Fisch, der dir wenige Augenblicke zuvor in das Netz deiner Selbstbezogenheit gegangen ist, es entwischt dir aus den Maschen, zurück in den Ozean. Mit dem Pronomen Ich, das du verwendest, wie ein Fischer einen Anker verwendet, damit sein Boot nicht auf das offene Meer hinaustreiben möge, hast du nicht einmal eine seiner unzähligen Hautschuppen berührt! Du müsstest selbstlos sein, dass heißt, du müsstest, wolltest du es begreifen, das Netz, mit dem du es erfassen möchtest, fallen lassen, du müsstest das Begreifen überhaupt lassen, schließlich würdest du, losgelöst von deiner Selbstbezogenheit, erfahren, dass du selbst Teil des Großen und Ganzen bist, dass du dich immer schon im Ozean befunden hast, auch wenn du dich nicht wie ein Fisch im Wasser darin bewegst - du bist nach wie vor im Netz gefangen, du hängst in seinen Maschen - du wirst es schließlich begreifen, ohne danach greifen zu müssen, ohne Begriffe dafür nötig zu haben. Im Großen und Ganzen gehen die Grenzen auf Wanderschaft, verschwimmen die Konturen der Dinge, lösen sich ihre Formen auf, gehen die Identitäten in etwas Unfassbares über, das selbst keiner Identitäten bedarf, das keine Sprache nötig hat und doch ausdrücklich ist, das allgegenwärtig ist…
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Zivilität und Courage. - Es ist keine Frage, ob du dir Feinde machen wirst, sobald du eine vernachlässigte Wahrheit in einer gesellschaftlich relevanten Sache, die als ein für alle Mal abgeschlossen gilt, offen aussprichst; eine verdrängte Wahrheit, die niemand hören will, weil sie die Wirklichkeit, in der sich die Menschen eingerichtet haben, in Frage stellt und das Verhalten der Menschen, die sich mit der Sache, wie es aussieht, ein für alle Mal abgefunden haben, in Zweifel zieht (nicht wenige haben sich mit ihr - nicht mit der Sache selbst, sondern mit der herrschenden Meinung über sie - arrangiert). Die Frage, die sich dir stellt, ist nicht, ob du dir überhaupt Feinde machen wirst, sobald du eine verleumdete Wahrheit in einer entscheidenden Sache offen ausspricht. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Bist du bereit, die größten Anfeindungen in Kauf zu nehmen, sobald du dich entschlossen hast, es anders als die anderen zu machen und keine Lebenslüge zu leben? Verschweigst du nämlich eine verfolgte Wahrheit in einer entscheidenden Sache, so wirst du fortan mit einer Lüge leben müssen, die dein Verhältnis zur entscheidenden Sache maßgeblich beeinflussen wird, sie wird aber auch dein Verhältnis zu Kritiken, die die Sache betreffen, maßgeblich beeinflussen (so wirst du, da du dich mit der Meinung über sie abgefunden hast, Kritiken, die die Sache im Kern betreffen, ablehnen, du wirst vor allen Dingen dazu übergehen, die Kritiker der Meinung, die über der Sache herrscht, anzugehen und anzufeinden), letztlich wird sich die Lebenslüge auf dein gesamtes Verhalten auswirken, ganz so, wie jemand, der unablässig damit beschäftigt ist, Fallgruben, die sich auf seinem Weg befinden, auszuweichen, statt dafür Sorge zu tragen, dass der Weg gerade auch, nachgerade auch für die, die nach ihm folgen werden, eingeebnet wird, während er auf seinem Zickzack-Kurs durch das Leben unnötig viel Lebenszeit verliert, zusehends den Weg aus den Augen verliert, schließlich sein Lebensziel überhaupt verfehlt, nämlich aufrecht durch das Leben zu gehen, dass heißt einen geraden inneren Weg zu beschreiten, bei dem er es nicht nötig haben wird, ihn rückblickend gerade zu rücken.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Zwei Seiten der Transzendenz. - Es ist der Ozean, der in dem Wassertropfen, der aus schweren Regenwolken hinabfällt, ein- und aufgeht - der Tropfen kommt ihm bloß entgegen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Sprache. Reibung. Zuversicht. - Noch vor dem eigentlichen Feuer hat der Homo Sapiens, der sich in die steinzeitliche Höhle zurückzog, um sich vor den Widrigkeiten der Natur zu schützen, im Wortwechsel mit seinem Mitmenschen ein Feuer entfacht, das ihn – den Kälte, Feuchtigkeit und Dunkelheit umgab - innerlich wärmte, das ihm Hoffnung machte. Das Aufeinanderstoßen und Aneinanderreiben der Worte entfachte den inneren Zunder der Sprechenden. In dunklen Zeiten gewinnt die Sprache eine magisch-leuchtende, eine richtungsweisende Funktion hinzu, sie kann den Menschen aus einem unentrinnbar scheinenden Labyrinth befreien, sie kann ihn aber auch geradewegs dorthin hineinführen!
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Jederzeit Paradies auf Erden. - Nicht die Ausmaße seiner Tore geben vor, wer in das Paradies eingehen darf und wer nicht, es sind die Torwächter, die, den Eintrittswilligen zu- oder abgeneigt, seine Zugänge, die sie selber sind, durch unfassbare, für die Eintrittswilligen nicht nachvollziehbare Verrenkungen beeinflussen und also maßgeblich mitbestimmen. In Wahrheit aber gibt es gar keine Tore, die in das Paradies führen! In Wahrheit gibt es nur seine Wächter, diese aber verrenken sich unentwegt nach Leibeskräften (ein Umstand, der dazu führt, dass der Zutritt in das Paradies auf unbestimmte Zeit vertagt wird). Wahr ist aber auch: Es gibt gar kein Paradies, über dessen Einlass die Wächter maßgeblich mitbestimmen könnten! In Wahrheit stehen die Paradieswächter ganz allein auf weiter Flur. Nein, in Wahrheit gibt es nicht einmal die Paradieswächter! In Wahrheit ist es allein das menschliche Herz - unerheblich, ob gläubig oder nicht - das paradiesische Zustände verspricht. Die ganze Wahrheit also lautet: Die Liebe ist die einzige Wächterin weit und breit, sowohl im Himmel als auch auf Erden, die den Liebenden einen uneingeschränkten Zutritt in das Paradies gewährt.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Konzentrische Kreise - Für gewöhnlich reichen die Kräfte im Kampf gegen die herrschende Ungerechtigkeit in der Welt nur für die eigenen, engeren Kreise, in denen sich der Mensch bewegt (es bringt auch nichts, wenn er mit letzter Kraft gegen das große Übel dort draußen ankämpft, während ihn die kleineren Übel in den eigenen, engsten Kreise in Atem halten). Allerdings übersieht der Mensch, der sich im Kampf für mehr Gerechtigkeit in den eigenen, engsten Kreisen einsetzt, dass es die herrschende Ungerechtigkeit in den größeren und größten Kreisen ist, die sich konzentrisch um sämtliche darunterliegenden Kreise legen, die das Übel darin erst möglich machen.
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Das Schweigen der guten Zungen gebiert lauter Unwahrheiten. - Kommen die bösen Zungen einmal auf die Wahrheit zu sprechen – und man kann sagen, sie kommen in letzter Zeit recht häufig darauf zu sprechen! – so werfen sie den guten Zungen vor, die Tatsachen zu verdrehen, ja, sie bezichtigen sie geradezu der Lüge. Da die guten Zungen es vorziehen, zu den, wie man sagen muss, unhaltbaren Vorwürfen zu schweigen, wie sie in letzter Zeit überhaupt zu allem schweigen – schließlich ruhen sie ausgesprochen bequem in ihren Rachenhöhlen, außerdem spreche die Wahrheit für sich! - stimmen sie den bösen Zungen damit bei, geben sie ihnen gewissermaßen recht.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan