Meditationen
Transzendenzerfahrungen. - Die Variationen der Liebe erscheinen wie die Facetten des Lichts, sie erfüllt die Liebenden mit einem wundersamen Licht, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint. Wer Liebenden begegnet, der meint, in die Umlaufbahnen zweier Sonnen zu geraten, die gemeinsam ein geheimnisvolles, glühendes Zentrum umkreisen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Die Farbe Grau als Vermittlungsinstanz im Schwarz-Weiß-Denken. - Der Nachteil der Farbe Grau ist, dass sie sich im Konfliktfall, der zwischen zwei Kontrahenten ausbricht, mitten drin befindet, wodurch sie selbst Gefahr läuft, in die Bredouille zu geraten, gleichsam in die Mangel genommen zu werden, tatsächlich läuft die Farbe Grau Gefahr, sich aufzureiben, sollte sie sich nach beiden Seiten hin verausgaben oder aber sie läuft im Fall einer ein- oder beiderseitigen Vereinnahmung Gefahr, angegangen und aufgerieben zu werden. Der Vorteil, den die Farbe Grau im Konfliktfall zweier Kontrahenten mit sich bringt, ist, dass sie zwischen den Konfliktparteien, die in einer entscheidenden Sache extrem weit auseinanderliegen, Verbindungen herleiten kann, wenigstens aber kann sie Verknüpfungen zwischen den extremen Standpunkten der Kontrahenten herstellen, so dass, bei fortwährendem vermittelnden Kontakt, Verflechtungen, bestenfalls Verbindungen zwischen den Kontrahenten hergestellt werden können; im Idealfall führen diese zu vertraglichen Vereinbarungen, so dass der Konflikt beigelegt werden kann. Im Extremfall sind, soll der Normalfall wieder hergestellt werden, die Grautöne als mäßigende, als maßgebliche Vermittlungsinstanzen entscheidend; wer Kompromisse eingeht, der bewegt sich immer auch halb freiwillig, halb gezwungen im Graubereich der Übereinkunft. Die beste Tageszeit, in der zwischen zwei kompromissbereiten Kontrahenten eine Übereinkunft erzielt werden kann, ist das Morgengrauen. Die einstigen Gegner, die zuvor der Überzeugung waren, eine weiße Weste zu haben, blicken nunmehr, nachdem sie eine Übereinkunft in einer entscheidenden Sache erzielt haben, gemeinsam in eine lichte, verheißungsvolle Zukunft. Kontrahenten hingegen, die unter allen Umständen an einer Gegnerschaft festhalten wollen, sehen in der Farbe Grau ein rotes Tuch.
Aufzeichnungen. Copyright © 2022 Bülent Kacan
Ein Unerhörtes. - Sicher, auch sie führten Gespräche, wie sie jedermann mit jederfrau (und vice versa) führte, doch eigentlich führten sie Selbstgespräche, während sie miteinander redeten. Nein, dies ist nicht ganz richtig, dass stimmt so nicht, schließlich führten sie auch keine Selbstgespräche, führten sie keinen inneren Dialog, während sie miteinander redeten, sie schwiegen die ganze Zeit über, schließlich gab es kein Selbst, mit dem sie in einen inneren Dialog treten konnten, über das hinaus sie in einem äußeren Dialog miteinander ins Gespräch kommen konnten. Sie schwiegen sich untereinander an, während sie miteinander redeten, wie sie sich selbst ununterbrochen anschwiegen, während sie Gespräche führten. Ab und zu folgte ein Schrei, er folgte aus heiterem Himmel heraus und keiner der beiden wusste wieso, weshalb oder warum er erfolgte – nicht sie selbst, ihr Selbst schrie auf, es wollte sich endlich einmal Gehör verschaffen. Zuletzt verstummten sie beide, sie verstummten nicht, weil zwischen ihnen alles gesagt worden wäre oder weil sie sich nichts mehr zu sagen gehabt hätten, sie schwiegen vielmehr im gegenseitigem Einvernehmen, dass heißt, sie hörten auf, sich selbst und dem anderen etwas vorzumachen, mit anderen Worten, sie gaben ihre Verschwiegenheit auf. Auch hörten sie zum ersten Mal die Stille, die, deutlicher als zuvor, unverkennbar zwischen ihnen eintrat, nein, sie horchten auf, sie hörten genau hin, ja, sie hörten zum ersten Mal zu, was der andere zu sagen hatte, sie horchten vor allen Dingen in sich selbst hinein, kurzum, sie wurden verständig, sie verständigten sich untereinander. Manches Mal folgte auch ein Schrei aus heiterem Himmel, doch sie wussten fortan, wieso, weshalb und warum er erfolgte.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Purzelbäumer. - Mit den Kleinen durch die Fußgängerzone gepurzelt; zunächst ich vorneweg, dann allerdings, nach dem zweiten, halbwegs gelungenen Purzelbaum, hatten die Kleinen die Nase vorn, sie purzelten uneinholbar auf und davon. Zwei ältere Passanten, möglicherweise ein Ehepaar, waren drauf und dran, mit uns mitzupurzeln, sie deuteten einen Purzelbaum ansatzweise an, haben es dann aber doch sein lassen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Ein Formelhaftes. - Das Kunstwerk ist reine Form, es spricht für sich oder aber es hat kaum oder gar keine Aussagekraft. Was ihm an Inhaltlichen zugeschrieben wird, sind die Überlegungen seiner Betrachter, die nach den richtigen Worten ringen, die, mangels Gehalt, nicht selten selbst formelhaft erscheinen. Ein Kunstwerk, das es schafft, dass seine Betrachter längere Zeit schweigend vor ihm stehen bleiben und es staunend betrachten, hat, da es sie berührt oder bewegt hat, im Grunde genommen schon alles gesagt. Das Eigentliche, das während einer Ausstellung vorübergehend zum Stillstand gebracht werden will, ist die Unruhe des Betrachters des Kunstwerks, das, obwohl es seinen festen Platz im Raum einnimmt, bestenfalls unfassbar berührt oder bewegt. Dieses Eigentliche persönlich zu erleben ist ein magisches Ereignis, um das es geht.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Ein Fragwürdiges. - Das Hoheitszeichen des Rechtsstaates ist das Fragezeichen (?), das Ausrufezeichen (!) ist das Hoheitszeichen der Autokratie. Dem Ausrufezeichen (!) ist anzusehen, dass der vernünftige, der verständige, dass der auf Verständigung hin angelegte Mensch, der Homo sapiens, auf den Kopf gestellt wurde, während er im Fall des Fragezeichens (?) freiwillig, gleichsam spielerisch einen Kopfstand macht, um gleich wieder in den aufrechten Gang überzugehen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan / (überarbeitet am 04.12.2025)
Sachverhalt und Standpunkte. - Worüber reden wir, wenn wir über einen Sachverhalt sprechen? Wir reden im Grunde genommen immer auch über uns selbst, während wir darüber ins Gespräch kommen. Nicht die Priorisierung des Sachverhalts im gemeinsamen Gespräch, die eingenommenen Positionen der Gesprächspartner, ihr Verhältnis untereinander gibt Aufschluss über den Ausgang des Gesprächs. Was verstehen wir hierunter? Womöglich nur so viel, dass das Gespräch im günstigsten Fall unseren Standpunkt und unsere Sicht auf die Dinge bestätigt, stärkt und festigt. Im besten Fall führt uns das Gespräch die Schwachpunkte unseres eigenen Standpunktes vor Augen, wir nehmen seine zahlreichen Stellschrauben wahr, die wir geflissentlich übersehen haben. Im Idealfall wechseln wir im Zuge eines gemeinsamen Verständigungsprozesses unseren Standpunkt, variieren wir die Standpunkte, nehmen wir gegebenenfalls den Standpunkt unseres Gegenübers ein, wodurch wir seine Sicht auf die Dinge wenigstens perspektivisch nachvollziehen können. Womöglich wird er uns dabei behilflich sein, seinen Standpunkt einzunehmen, beispielsweise im Hinblick auf den Sachverhalt des Krieges. Möglicherweise nimmt uns unser Gegenüber, das den Krieg aus eigener Anschauung kennt, huckepack und wir suchen auf seinem Rücken Kriegsgebiete auf, die wir nie betreten hätten, würden wir uns nicht auf seinen Standpunkt eingelassen haben. Und siehe da, unsere Einlassung hat es in sich! Schließlich setzen wir uns unmittelbar Situationen aus, die uns in der Regel medial vermittelt werden; wir, die wir fernab von Kriegsgebieten leben und für gewöhnlich Zuschauer oder Zuhörer der Berichterstattungen sind, nehmen den Schrecken des Krieges im Hier und Jetzt mit all unseren Sinnen wahr, wir können uns der Situation nicht mehr entziehen, wir haben uns ihr freiwillig ausgesetzt. Die Toten auf beiden Seiten der Front sprechen uns direkt an, ihr Schicksal berührt uns, sie sind keine abstrakten Datenfragmente, wir haben es im Hier und Jetzt mit leibhaftigen Menschen zu tun. Der Verwesungsgestank, der uns in die Nsae steigt, spricht eine universelle Sprache; wir werden unweigerlich daran erinnert, wie verletzlich der Mensch ist, vor allen Dingen kommt uns unsere eigene Sterblichkeit unweigerlich in den Sinn, unser Ekel, er hat gleich mehrere Gründe. Es ist fast so, als wollten uns die Toten ansprechen, als wüssten sie unseren Namen. Ihre Ansprache, die wir vernehmen können, weil wir nicht abgestumpft sind, weil wir ansprechbar, weil wir auf einer menschlichen Ebene erreichbar geblieben sind, geht allerdings weitaus tiefer. Das Schicksal der Toten bewegt uns unweigerlich, wir geraten ins Schwanken, uns wird schwindelig, auch, angesichts des Grauens, das sie als Gewaltopfer erfahren haben. Und mit einem Mal, nachdem wir beiläufig ihre Namen und ihr Alter erfahren haben, halten wir inne, verlieren die Toten ihre Anonymität, nehmen wir wahr, wie ihre verschütteten Gesichter aus dem dunklen Erdreich auftauchen, springen uns ihre ausgelöschten Existenzen an, geht uns ihr Schicksal unmittelbar unter die Haut, werden wir fortan nicht mehr los, was uns persönlich, menschlich, existenziell angeht. In unserer Betroffenheit kommt eine Empörung über das Leid der Hinterbliebenen zum Ausdruck. Es fällt uns zusehends schwerer, einen Krieg gut zu heißen, der ein gerechter sein will, während er unendliches Leid über die Menschen auf beiden Seiten der Front bringt. Es sind dies Einblicke in einen Sachverhalt, die uns, denen die Erfahrungen des Krieges glücklicherweise ersparst geblieben sind, im Mark erschüttern. Erschütterungen, wie wir sie in diesen Momenten erleben, können bewirken, dass wir unsere Sicht auf die Welt korrigieren. Wir verlieren schlagartig den Boden unter unseren Füßen. Wir können fortan nicht umhin, uns in einer Welt, in deren Abgrund wir geblickt haben, neu zu verorten, wollen wir in einem menschlichen Verhältnis zu ihr stehen und bestehen; in einem Verhältnis, in dem wir nicht teilnahmslos sind angesichts des Grauens in der Welt, sondern am Schicksal der Anderen Anteil nehmen. Unsere Neu-Positionierung in der Welt führt konsequenterweise zu einem persönlichen Engagement in der Sache, es setzt mitunter die Aufgabe unserer gewohnten Wertevorstellungen und eingeübten Wahrnehmungsmuster voraus, wir geben uns der Sache hin, die uns in ein grundsätzlich neues Weltverhältnis setzt. Unser Verhältnis zum Sachverhalt, es hat sich von Grund auf verändert. Indem sich unsere Einstellung zum Sachverhalt des Krieges grundsätzlich verändert hat, ändert sich auch unser Weltbezug, stellen wir uns bewusster auf diese Welt ein, nehmen wir ihr gegenüber eine reifere, rücksichtsvollere, eine achtsame Haltung ein, verhält sich diese auch uns gegenüber fundamental anders als gewohnt, sie erscheint uns lebenswerter als zuvor. Wir nehmen, was den Sachverhalt des Krieges anbelangt, im Anschluss nicht nur einen anderen, mitunter konträren Standpunkt ein. Wir können unseren eigenen Standpunkt fortan auch viel besser verorten, wir nehmen den Sachverhalt vergleichsweise objektiver wahr, einen objektiven Standpunkt im Hinblick auf den Sachverhalt des Krieges werden wir nicht erlangen können - allerdings wissen wir mehr denn je zu schätzen, was es heißt und bedeutet, in Frieden zu koexistieren.
Aufzeichnungen. Copyright © 2023 Bülent Kacan
Summum bonum. - Das höchste Gut: Die Güte. Die höchste Form der Güte: Die Barmherzigkeit.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Wegweiser. - Würdest Du dich jetzt bei den Weisen nach dem rechten Weg erkundigen, so würde ein jeder von ihnen den rechten Fuß ausstrecken. Der Erste würde den Weg scharf rechts favorisieren. Der Zweite würde den mittleren Weg einschlagen. Der Dritte würde, nachdem er unversehens seinen rechten Fuß zurückgezogen und augenblicklich den linken hervorgeholt haben würde, leicht zur Seite geneigt, rückwärts gehen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2022 Bülent Kacan
Ästhetik des Fußballspiels. - Die Aufgabe des Schiedsrichters ist es, die Grammatik des Fußballspiels zu gewährleisten (wer das Reglement versteht, der spricht die Sprache des Spiels, der redet überhaupt mit, ja, der hat, je versierter er (mit-)spielt, ein Wörtchen mitzureden, unabhängig davon, ob er die Muttersprache seiner Vereinskameraden spricht oder nicht). Außergewöhnlich begabte Spieler gehen, in unvergesslichen Augenblicken des Wunderbaren, bis an die Grenzen des Spielbaren, dass heißt, sie hinterlassen außerordentlich schöne, poetische Spuren (Signaturen) im ansonsten prosaischen Textgewebe des Fußballspiels. Das Faszinierende am Fußballspiel ist nicht die Regel, es sind die unerwarteten Augenblicke des erwartbaren Wunderbaren darin, die sich (nicht ohne Mitsprache, der Stimme, dem Schrei des Kommentators) in die Netzhaut des fußballbegeisterten Zuschauers einbrennen und hierdurch unvergesslich bleiben.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Lebenswelten und Sprache. - Eine Bruderschaft der Konnotationen pflegen. Nicht dadurch, w i e jemand etwas sagt, sondern w a s er damit meint, sobald er etwas (wie auch immer) sagt, ist ausschlaggebend für ein tieferes zwischenmenschliches Verständnis, für eine tiefere zwischenmenschliche Verständigung. Widerfährt zwei Freunden auf ihrer Wanderschaft in den Bergen ein Unglück, ein Felssturz beispielsweise, den beide glücklicherweise überstehen, indem sie der Naturkatastrophe im letzten Moment ausweichen (sie haben Glück im Unglück), so werden sich die beiden Wanderer künftig Weggefährten nennen dürfen, durchaus in einem spirituellen Sinn. Erinnerungen der beiden an die Gefahr, die sie überstanden haben, weckt in beiden identische Bilder, Konnotationen und Emotionen. Das Glück, das die beiden Freunde im Unglück hatten, war, rückblickend betrachtet, das Unglück selbst, dass heißt, der Felssturz, vielmehr noch ihre Erfahrung, dass sie die Naturkatastrophe überstanden haben, hat sie im spirituellen Sinne zusammenschweißen lassen (sie tragen, was das Wesentliche einer wahren Freundschaft ist, Verantwortung füreinander).
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Wahrheit und Kontextabhängigkeit. - Wenn wir mit einer Aussage, was einen bestimmten Sachverhalt betrifft, daneben liegen, so nehmen wir an, dass sich eine Wahrheit an einem fixen Ort befindet, von der unsere Aussage - die wir getroffen haben, die allerdings, wie wir feststellen müssen, fehlgeht - mehr oder weniger abweicht. Tatsächlich ist die Wahrheit flexibel wie ein Gummiball, der auf und abspringt und mal hier ist und mal dort zu finden ist, wobei er seine Gestalt beibehält, er taucht lediglich in unterschiedlichen Kontexten auf, in denen er auf unterschiedliche Weise gehandhabt wird. So wird ein Fußballspieler mit einem Tennisball, den ihm der Trainer während des Trainings zuspielt, anders umgehen als ein Golfspieler oder ein Handballspieler, er wird versucht sein, ihn mit seinen Füßen zu jonglieren (der Gummiball ist, bei näherem Hinsehen, ein gleichermaßen fester, wie flexibler Knäuel ineinander verwickelter Fäden, die wir entwirren müssten, wenn wir verstehen wollten, was ihn, dass heißt den Sachverhalt, zu einer Wahrheit macht). Nicht die Wahrheit ist relativ, es sind die unterschiedlichen Kontexte, in denen sie sich bewegt und in denen sie auf unterschiedliche Weise gehandhabt wird, die unterschiedliche Relationen mit ihr eingehen. Möchten wir also eine wahre Aussage über einen bestimmten Sachverhalt treffen, so kommt es darauf an, unsere Aussage so zu formulieren, dass ihre Elemente, aus denen sie sich zusammensetzt, den Sachverhalt rundherum erfassen (ganz so wie ein Tennisspieler, der einen Tennisball erfasst, sobald er zum Aufschlag ansetzt, wobei jeder einzelne seiner fünf Finger seiner linken Hand eine spezifische Funktion ausübt; erst alle Finger zusammen (genommen) begreifen den Ball, die menschliche Hand ist der Inbegriff der Kooperation; die erste Kooperation ist jene zwischen Mutter und Kind, ist der Griff des Neugeborenen nach der Hand, nach der Brust seiner Mutter), unabhängig davon, in welchem Kontext wir uns bewegen. Ideologien mit absoluten Wahrheitsansprüchen bilden einen gewaltigen (gewalttätigen) Kontext aus Parteigängern, Anhängern und Mitläufern, der weder internen Widerspruch toleriert, noch externe Einsprüche (Einwände) akzeptiert. Wer nicht willens ist, aus dem Kontext, aus dem heraus er die Welt so und nicht anders deutet, (vorerst und vorübergehend, d.h. vergleichsweise) auszusteigen, dem entgeht ein Großteil eben dieser Welt. Kontexte, die nicht irgendeine, sondern i h r e Wahrheit absolut setzen, bilden ein leibhaftiges Spalier aus Parteigängern, Anhängern und Mitläufern, die für Zugänge offen sind, während sie für Abgänge verschlossen bleiben (die Verschlossenheit zur Abgeschlossenheit).
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Spielregeln und Raumtiefe. - Sobald die Handlungsspielräume enger werden, nimmt, insofern die Spielregeln den Umständen nicht angepasst wurden, auch das Risiko der Akteure zu, Regelbrüche in Kauf zu nehmen. Fußballspieler, die es gewohnt sind, mit 22 Mann auf einem Spielfeld von 50 * 100 Metern zu spielen, werden bei gleicher Anzahl an Feldspielern, auf einem Spielfeld von 20 * 40 Metern deutlich häufiger zum Foul ansetzen oder ausholen (müssen). Fairness geht immer auch einher mit der Übereinstimmung zwischen der Tiefe des Raumes, die den Akteuren geboten wird und in denen sie sich verwirklichen können sowie den Spielregeln, die diese, ihre Handlungsabläufe, darin ermöglichen (und gewährleisten). Der Schiedsrichter würde sich überflüssig machen, wenn jeder einzelne Fußballspieler sämtliche vorhandenen Spielregeln verinnerlichen und einhalten würde, allerdings wäre das Spiel mangels Regelbruchs dann kein Spiel mehr, sondern ein lebloser Mechanismus. Einkalkulierte Fouls sind integraler Bestandteil des Spiels, im Großen, wie im Kleinen. Wer übertreibt, der fliegt vom Platz, im Großen, wie im Kleinen. Wer die Spielregeln bestimmt, der herrscht über den Platz, im Großen, wie im Kleinen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Sehvermögen und Wegstrecken. - Die Sehkraft deines geistigen Auges gibt Aufschluss über die Offenheit deines Horizonts. Deine äußeren Augen ebnen dir deinen äußeren Weg, dein inneres bestimmt deinen inneren Weg, es beeinflusst aber auch deinen äußeren. Bringst du beide Wege in Übereinstimmung, so gerätst du nicht auf Abwege, so bist und bleibst du auf dem richtigen Weg. In Wahrheit gibt es keine dunklen Zeiten. Es gibt Zeiten, in denen das geistige Auge des Menschen verschlossen ist und seine äußeren trotz des Lichtes, das sie umgibt, den rechten Weg verfehlen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Verständnis und Verständigung. - Die mächtigsten Pfeiler diesseits des Flusses führen ins Leere, wenn jenseits davon der Brückenschlag verweigert wird.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Mitgerissen werden. - Auf den entscheidenden Abschnitten ihres Weges - es handelt sich um Übergänge, die eine neue Phase ihres Wachstums in alle nur denkbaren, aber auch undenkbaren Himmelsrichtungen ankündigen - nehmen die Weisen die Form von Rädern an, die über vier zappelnde Speichen verfügen, wobei sie vor nichts und niemandem Halt machen; einmal in Fahrt gekommen, rollen die jubelnden Räder auf und davon. Wer ihnen unterwegs in die Quere kommt, der wird nicht etwa überrollt, was den Davonrollenden angesichts der überaus schmalen, rasiermesserscharfen Wegstrecken durchaus zuzutrauen wäre, der wird von ihrem überschwänglichen Elan vielmehr erfasst und mitgerissen; der Ergriffene purzelt aus freien Stücken mit den Weisen mit, nimmt während seines überstürzten Rollvorgangs die Form eines halbwegs ansehnlichen Rades an und rollt, sichtlich erfreut über die außerordentlich hohe Reisegeschwindigkeit, eine geraume Zeit jauchzend hinter den Weisen her. Die Aufholjagd endet abrupt, sobald das Verfolgerrad aus unerklärlichen Gründen von der Hauptroute abweicht, die eigene Spur wiederfindet, seine ursprüngliche Gestalt annimmt und glücklich und zufrieden, in gewisser Weise verwandelt seines Weges geht.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Ungewissheit und Zeitumstände. - Die Ungewissheit der Zeitumstände macht, dass nicht wenige Menschen den Fortschrittsoptimisten ihre Gefolgschaft aufkündigen, während sie zunehmend den Fortschrittspessimisten folgen, die die Uhr anhalten, die Zeit zurückdrehen und eine geschlossene Gesellschaft errichten wollen. Wer über die gegenwärtigen Umstände der Zeit bestimmt, wer sie maßgeblich beeinflusst, der beherrscht auch den Raum, in dem sie sich so und nicht anders ereignen (werden). Die Bestimmung oder Beeinflussung der gesellschaftlichen (Denk-, Sprach- und Handlungs-)Räume hin zu ihrer massiven Beeinträchtigung sind die entscheidenden machtpolitischen Stellschrauben, die räumliche Abgrenzungen nach sich ziehen (werden), sie sind Ausdruck nicht progressiv, sondern regressiv ausgerichteter Zeitumstände.
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Kurze Meditation über Raum und Zeit. - Der Tag hat 24 Stunden, ganze 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, ein Menschenleben lang, so weit, so gut, könnte man meinen und doch dehnt sich jeder einzelne Augenblick, den du bewusst wahrnimmst, aus, zieht er sich horizontal in die Länge, sinkt er auch geradwegs in die Tiefe, dauert der Moment weit mehr als ein Sekundenbruchteil an, überdauert er das gewöhnliche Maß eines einzigen Momentums, gehen die Augenblicke nahtlos ineinander über, sprengst du, auch in dem Bewusstsein, dass das Leben insgesamt ein einziger, nicht enden wollender Augenblick ist, zuletzt den äußeren zeitlichen Rahmen – dein inneres Uhrwerk, es läuft im Zuge deiner Versenkung langsamer, es läuft losgelöst von der Schwerkraft deines Seins, auch wenn es nicht am Schnürchen läuft, lass es laufen, lass es zu! Finde im Augenblick ein kleines Fenster hin zur Ewigkeit, öffne es und siehe, blicke hindurch! Raum in Raum, Zeit in Zeit – du selbst, sieh zu!
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Die Gabe. - Sobald die Weisen etwas vergeben, beschenken sie sich selbst; nicht durch die Vergabe, auch nicht durch die Gegengabe, sondern durch das Geschenk, das der Andere ist.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Weichenstellung und Ereignisse. - Es gibt einen Moment während der Zugfahrt, in dem das vorbeiziehende Nachbargleis für Bruchteile eines Augenblicks stillsteht, nachdem du es mit deinen Augen zurückverfolgt und es gestellt hast, nachdem du es gleichsam eingefroren hast. Es bedarf eines geübten Blickes, willst du die rasch aufeinanderfolgenden Ereignisse, die unentwegt um dich herum geschehen, verstehen; eines Blickes, der in der Lage ist, einem Ereignis in seiner atemberaubenden Geschwindigkeit zu folgen, eines Blickes aber auch, der fähig ist, im richtigen Augenblick von ihm abzulassen und sich in den rückwärtigen Raum zurückfallen zu lassen, um im entscheidenden Moment den Entstehungszusammenhang zu begreifen, aus dem sich das Ereignis in rasanter, in rücksichtsloser Geschwindigkeit so und nicht anders entwickelt hat. Lässt du dich mit den Ereignissen mitreißen, gehst du mit ihnen mit, so gerätst du zusehends ins Hintertreffen, wirst du bald schon das Nachsehen haben. Wer, wenn nicht du selbst, sollte wissen, wohin die Reise geht?
Aufzeichnungen. Copyright © 2025 Bülent Kacan
Bilder und Sprache. - Die Sprache der Bilder verfügt über unterschiedliche Ausdrucksweisen. Handelt es sich um gegenständliche Malerei, so spricht das Bild, sofern es uns anspricht, deutlicher zu uns, nie aber eindeutig, während es im abstrakten Fall eindeutig undeutlich zu uns spricht, es erscheint hierdurch nicht rätselhafter als das konkrete, es bleibt uns bloß oft ein Rätsel, wodurch wir aufgefordert sind, die richtigen Worte zu finden, sowohl für uns als auch untereinander, eher noch untereinander kommen wir darüber ins Gespräch, finden wir die richtigen Worte, indem wir begreifen, dass es unfassbar schön ist, doch damit haben wir schon zu viel des Guten gesagt, also sollten wir es für uns behalten. Betrachter eines ausgesprochen schönen Bildes, die nicht viel Worte zu verlieren haben, verlieren nicht unnötig viele Worte, weil sie sehen, staunen und schweigen; sie behalten es für sich - die Stille ist ihr treuer Wegbegleiter.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Zwei Seiten der Transzendenz. - Es ist der Ozean, der in dem Wassertropfen, der aus schweren Regenwolken hinabfällt, ein- und aufgeht - der Tropfen kommt ihm bloß entgegen.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan
Das Schweigen der guten Zungen gebiert lauter Unwahrheiten. - Kommen die bösen Zungen einmal auf die Wahrheit zu sprechen – und man kann sagen, sie kommen in letzter Zeit recht häufig darauf zu sprechen! – so werfen sie den guten Zungen vor, die Tatsachen zu verdrehen, ja, sie bezichtigen sie geradezu der Lüge. Da die guten Zungen es vorziehen, zu den, wie man sagen muss, unhaltbaren Vorwürfen zu schweigen, wie sie in letzter Zeit überhaupt zu allem schweigen – schließlich ruhen sie ausgesprochen bequem in ihren Rachenhöhlen, außerdem spreche die Wahrheit für sich! - stimmen sie den bösen Zungen damit bei, geben sie ihnen gewissermaßen recht.
Aufzeichnungen. Copyright © 2024 Bülent Kacan